Sechs Jahrzehnte Fortschritt: Die Berner Neuroradiologie als Motor der digitalen Medizin

Die diagnostische Neuroradiologie hat seit ihren Anfängen in den 1960er Jahren unter der Leitung von Prof. Peter Huber eine revolutionäre Wandlung durchlaufen. Früher war das Fachgebiet darauf angewiesen, die Struktur von Organen und Geweben durch invasive Methoden zu beurteilen. Man stützte sich dabei auf Gefässdarstellungen des Gehirns, auf Röntgenuntersuchungen des Spinalkanals mit Kontrastmittel und auf die ältere Pneumencephalographie. Heute hat sich daraus ein nicht-invasives Spezialgebiet entwickelt, dessen moderne Diagnoseverfahren vollständig ohne Eingriff in den Körper auskommen und dazu moderne Bilddaten und Biomarker nutzt.

Über sechs Jahrzehnte hinweg hat die Berner Neuroradiologie diese technischen und klinischen Entwicklungen nicht nur mitvollzogen, sondern an Schlüsselpositionen bedeutend mitgeprägt – von der frühen CT/MRT-Adoption über die funktionelle Bildanalyse bis hin zur heutigen Rolle als Systemintegrator der digitalen Medizin.

Von Röntgen zu MRT: Die Ära der bahnbrechenden Geräte (1970er bis frühe 2000er)

Die Einführung der Computertomographie (CT) in den 1970er Jahren und der MR-Tomographie (MRT) in den späten 1980er Jahren markierte den Wandel zu einem nicht-invasiven Fachgebiet. Erstmalig wurde es möglich, innere Prozesse des Gehirns darzustellen:

  • Mittels diffusionsgewichteter Bildgebung konnten Veränderungen im akuten Schlaganfall sichtbar gemacht werden.
  • Magnetresonanzspektroskopie erlaubte die Überwachung von Stoffwechselprozessen.
  • Die funktionelle Kernspintomographie (fMRT) erfasste bildgebend Hirnareale, die für Bewegung, Sehen, Sensorik oder Sprache wichtig sind, und wurde zur Planung neurochirurgischer Eingriffe herangezogen.

Kontrastmittelfreie Diagnostik und Pränatal-MRT (Frühe 2000er)

In den frühen Jahren des 21. Jahrhunderts kamen in Bern – erstmalig in der Schweiz – neue bildgebende Verfahren zur Erfassung der Hirndurchblutung zum Einsatz, die kein Kontrastmittel mehr erforderten. Diese Innovation ermöglichte signifikante Fortschritte in der Diagnose von Epilepsien, psychiatrischen Erkrankungen und Demenzen. Parallel dazu wurde in enger Zusammenarbeit mit der Frauenklinik die pränatale MR-Diagnostik etabliert und die ersten simultanen MR-Untersuchungen mit neurophysiologischen Signalen durchgeführt.

KI und Ultra-High-Field: Die digitale Revolution (Die Zehnerjahre)

In den Zehnerjahren dieses Jahrhunderts (2010er Jahre) entwickelte sich die KI-unterstützte bildgebende Diagnostik mit atemberaubender Geschwindigkeit. Zunächst wurde maschinelles Lernen für Aufgaben wie die Segmentierung von Hirntumoren, die Läsionserkennung bei Multipler Sklerose oder die Detektion von Gefässverschlüssen beim Schlaganfall eingesetzt.

Mit dem Einsatz von Deep Learning wurden diese Modelle so stark optimiert, dass heute im Institut für Diagnostische und Interventionelle Neuroradiologie zwölf Algorithmen auf einer integrierten Plattform die befundenden Ärzt:innen aktiv unterstützen. Ergänzt werden diese klinischen Anwendungen durch KI-basierte Technologien zur Bildrekonstruktion, welche die Bildqualität verbessern und gleichzeitig die Messzeiten erheblich verkürzen.

Die Neuroradiologie Bern gilt heute als international führende Institution auf dem Gebiet der KI-Anwendungen und begleitet die Transformation der digitalen Medizin aktiv.

Strategischer Vorteil: Die 7-Tesla-Technologie

Mit der Einführung der 7-Tesla-MR-Technologie (7T-MRT) in Bern erfolgte ein weiterer strategisch wichtiger Schritt. Das Ultra-High-Field-MRT in sitem-insel ermöglicht eine deutlich verbesserte Signal- und Kontrastauflösung und eröffnet eine neue Ebene quantitativer und metabolischer Bildanalysen. Diese Technologie spielt eine entscheidende Rolle in medizinisch relevanten Gebieten wie der Neuro-Onkologie, der Epileptologie, der neurovaskulären Diagnostik und der Neuroimmunologie. Der 7T Technologie kommt dabei neben der translationalen Forschung eine entscheidende Bedeutung als Referenzplattform zu, die klinisch an relevanten Stellen ergänzt und validiert.