Neuro-Intervention: Von der Diagnostik zur hochwirksamen Therapie
Die Neuroradiologie hat sich in den vergangenen sechs Jahrzehnten grundlegend gewandelt: Von einem primär diagnostischen Fachgebiet ist sie zu einer klinisch-therapeutischen Disziplin avanciert. Diese Entwicklung, angetrieben durch Fortschritte in der Bildgebung und in spezialisierten endovaskulären Techniken, macht die Neuro-Intervention heute zu einem zentralen Pfeiler in der Behandlung neurologischer Erkrankungen am Inselspital.
Der Wendepunkt: Minimal-invasive Aneurysma-Behandlung (1990er)
Ein wichtiger Meilenstein in der Neuro-Intervention war die Einführung der sogenannten ablösbaren Platinspiralen ("Coils") Anfang der 1990er Jahre. Diese Innovation ermöglichte erstmals den minimal-invasiven Verschluss von intrakraniellen Aneurysmen (krankhafte Gefässerweiterungen im Gehirn). Damit veränderte sich die Behandlung von Blutungen im Gehirn (hämorrhagische Pathologien) grundlegend. Die Technik entwickelt sich kontinuierlich weiter: Moderne Werkzeuge wie Remodelling-Ballons, Stents und Flow-Diverter ermöglichen heute die effektive Versorgung selbst komplexester Aneurysmen.
Der Durchbruch: Die mechanische Thrombektomie beim Schlaganfall (Ab 2015)
Ein ähnlich tiefgreifender Fortschritt gelang bei der Akutbehandlung des ischämischen Schlaganfalls (Gefässverschluss). Lange Zeit war die intravenöse Thrombolyse die einzige Therapie, deren Wirkung jedoch bei Verschlüssen grosser Hirnarterien begrenzt ist. Nach zunächst ernüchternden Studienergebnissen markierten mehrere grosse randomisierte Studien im Jahr 2015 den Durchbruch für die mechanische Thrombektomie.
Das Verfahren hat sich seither als äusserst erfolgreiche Standardtherapie etabliert. Moderne Stentretriever- und Aspirationstechniken (Absaugverfahren) erreichen heute Rekanalisationsraten (Wiedereröffnungsraten) von nahezu 90 Prozent. Dies führt bei einem hohen Anteil der Patient:innen zu einer guten funktionellen Erholung. Die Thrombektomie zählt damit zu den wirksamsten Interventionen der modernen Medizin und hat die Schlaganfallversorgung grundlegend revolutioniert.
Neue endovaskuläre Anwendungsfelder
Auch bei komplexen Erkrankungen der hirnzuführenden und intrakraniellen Gefässe haben neue endovaskuläre Techniken in den vergangenen Jahren ihren Weg in den klinischen Alltag gefunden.
Durch den Einsatz von sogenannten Flüssigembolisaten können heute arteriovenöse Fisteln und Malformationen gezielt und dauerhaft verschlossen werden.
Darüber hinaus haben technologische Entwicklungen zusätzliche Anwendungsfelder erschlossen. Dazu zählen die Embolisation (Verschluss) der Arteria meningea media bei chronischem Subduralhämatom sowie die zielgerichtete Behandlung spinaler Liquorlecks bei spontaner intrakranieller Hypotension.
Blick in die Zukunft
Die Neuro-Intervention bleibt ein dynamisch wachsendes Spezialgebiet. Künftige Weiterentwicklungen in der Materialtechnologie, der Navigation, der Robotik und der KI-gestützten Bildanalyse werden neue therapeutische Möglichkeiten eröffnen und die Versorgung neurologischer Patient:innen kontinuierlich verbessern.

